Lieber Stress … wir müssen reden!
Viele Gestresste investieren in Urlaub, Achtsamkeits- und Meditationskurse, Yoga boomt … allerdings ändert das an der Gesamtsituation wenig. Unser Stresslevel scheint sogar immer mehr zu steigen. Wir sind schneller gestresst und öfter erschöpft. Je grösser der Stress ist, desto mehr verliert man sich selbst aus dem Blick. Laut einer Studie der Techniker Krankenkasse geben weit mehr als die Hälfte der Befragten an, sie fühlen sich gestresster als noch vor drei Jahren. Irgendetwas scheint da also schief zu laufen, zwischen dem Stress und uns… und tatsächlich bringen Studien ihn mit so ziemlich allem, was man lieber nicht hätte in Verbindung: von schlechter Laune, Schnupfen, sexueller Unlust, Übergewicht bis hin zu Depressionen, Herzinfarkt, chronischen Krankheiten, Demenz und Krebs. Stress ist, laut WHO eine der grössten Gesundheitsgefahren unseres Jahrhunderts.
Stress ist jedoch zunächst einmal die Fähigkeit unseres Körpers auf Herausforderungen angemessen zu reagieren. Also gar nicht schlecht, schlimm und verkehrt! Früher war es der Säbelzahntiger, dem man gegenüber stand, heute ist es eher die Deadline eines wichtigen Projekts, zu viel Aktivität in zu wenig Zeit oder gar die Diagnose einer ernsten Krankheit. Die dabei ausgeschütteten Hormone Adrenalin und Kortisol machen uns besonders leistungsfähig, wach, konzentriert und fokussiert. Problematisch wird es erst, wenn diese dauerhaft im Körper zirkulieren. Interessant ist, dass das Sterberisiko von Menschen, die über viel Stress berichten, nur dann erhöht ist, wenn sie davon überzeugt sind, dass der Stress die Gesundheit gefährde. Wer ihn dagegen für ungefährlich hält, dem geht es, trotzt Stress gut und sogar besser als Menschen mit wenig oder keinem Stress. Psychologen sprechen davon, dass unsere Denkweise bestimmt, wie wir uns bei fühlen. Was man über Stress denkt, bekommt man auch. Gedanken lassen sich steuern und somit verändern. Das ist die gute Nachricht.
In Experimenten reichte schon ein kurzer Videoclip mit den entsprechenden Informationen über Stress und Anspannung aus, um den Stress nicht als hemmende Angst anzusehen sondern als leistungssteigernde Aktivierung. Die Stressreaktion fällt dann günstiger aus und klingt schneller wieder ab. Eine Möglichkeit ist es also, den Stress nicht zu bekämpfen, sondern ihn willkommen zu heissen oder zumindest zu akzeptieren. Zum einen weil unser Körper dann gesünder reagiert und zum anderen weil wir uns dann weniger ohnmächtig fühlen und eher handeln! Ausserdem entlastet es, das Ziel eines stressfreien Lebens gar nicht erreichen zu müssen, denn unerreichbar wie dies ist, führt es nur dazu, sich zusätzlich zur erlebten Belastung auch dabei noch schlecht zu fühlen.
Was also tun? Hier sind Dinge wie Gedankenfreiheit, Herausforderung, Sinn und Selbstbestimmung gefragt. Hier darf man sich, gerne auch mit professioneller Unterstützung, neu orientieren und auseinandersetzten um neue Wege einzuschlagen. Ganz wichtig ist hier auch die Erholung. Das Problem in Sachen Erholung ist oft: sie auch rechtzeitig umzusetzen. Viele haben die Überzeugung: Ich leiste, also bin ich. Mit dieser Einstellung wird die Erholung zwangsläufig immer zu kurz kommen. Grundlage für wahre Erholung ist die Selbstwertschätzung, zu sagen: DAS HABE ICH GUT GEMACHT! Dieses Innehalten und wertschätzen verordne ich meinen Klienten. Man kann z.B. jeden Abend aufschreiben, was an diesem Tag gut war: „Nerven bewahrt, Pause gemacht, Kaffee getrunken, von acht Fenstern eins geputzt. Wer das vier Wochen macht, lernt: So wie ich bin, bin ich okay. Ach, und da kommt auch der Spass zurück! Nicht die Arbeit, sondern ich bin der Bestimmer meines Lebens und damit bestimme ich auch, wann ich Pause mache und wie ich mich fühle. Indem wir uns selbst wahr- und wichtig nehmen, erwächst nach und nach die Möglichkeit, wieder in einen gesunden Wechsel von Stress und Erholung zu kommen. Die Sichtweise ändert sich, neue Handlungsmöglichkeiten werden umsetzbar und denkbar, Selbstbewusstsein und Zufriedenheit steigen und am Ende ist das, was uns stresst zwar nicht unbedingt verschwunden aber der Stress selbst hat uns nicht mehr im Griff.
Enge Beziehung
Psyche und körperliche Organe, wie z.B. der Darm sind eng miteinander verbunden. Wie stark Stress und Ängste an der Entstehung z.B. eines Reizdarmsyndroms beteiligt sind, zeigt eine Studie der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Es wird den Betroffenen in den meisten Fällen zu einer frühzeitigen unterstützenden psychotherapeutischen Behandlung geraten.
Bin ich depressiv oder einfach nur traurig?
Bei einer Depression verliert das Leben seine Farbe. Wer an einer Depression erkrankt, sieht das Leben nur noch grau in grau. So wie Verliebte alles durch die rosarote Brille sehen, sind die Gläser für Depressive grau.
In Deutschland sind über vier Millionen Menschen betroffen, jeder fünfte erkrankt im Laufe seines Lebens mindestens einmal an einer Depression, Frauen doppelt so häufig wie Männer.
Depression ist mehr als nur eine Seelenkrankheit – sie betrifft den ganzen Körper, weil sie im Gehirn entsteht und das Gehirn den ganzen Organismus steuert. Die Auswirkungen sind entsprechend vielfältig.
Zu den Symptomen zählen Antriebslosigkeit, tiefe Niedergeschlagenheit, die Unfähigkeit Freude zu empfinden, Appetitverlust, Neigung zu Schuldgefühlen, Hoffnungslosigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörungen, permanente Angstgefühle, Suizidgedanken und auch körperliche Beschwerden wie Kopf- und Rückenschmerzen, veränderte Herz-Kreislauf-Funktion und Darmtätigkeit, Bluthochdruck und auch Hautprobleme. Bestehen 4 bis 5 Symptome, über länger als 2 Wochen, deutet das auf eine Depression hin.
Die meisten Menschen leiden an einer sogenannten unipolaren Depression. Sie haben in ihrem Leben mehr als nur eine depressive Episode, die Wochen und Monate andauern kann. Andere wiederum gehen nicht nur durch depressive sondern auch durch manische Phasen mit unbändigem Tatendrang, euphorischer Stimmung, geringem Schlafbedürfnis, oft Kaufrausch. Hier spricht man von einer bipolaren affektiven Störung. Die Dysthymia hingegen ist eine leichter ausgeprägte und dafür chronisch verlaufende Form der Depression. Sie beginnt normalerweise im frühen Erwachsenenalter. Eine Depression zeigt sich nicht immer in den o.g. Symptomen sondern kann sich auch in Agitiertheit äußern, also in auffälliger Getriebenheit, dies wird umgangssprachlich auch als „Männerdepression“ bezeichnet weil man hier dauernd getrieben, im Tun & Machen Modus ist.
Entscheidend für eine Depression ist also die Veranlagung, die erlernt oder auch genetisch bedingt sein kann sowie evtl. auch eine Störung der Botenstoffe im Gehirn, die durch verschiedene Krankheiten wie z.B. Demenzen oder auch Autoimmunerkrankungen entstehen kann. Hier gibt es mögliche Zusammenhänge von Entzündungen im Körper und Depressionen. Die Entstehung für eine Depression ist also immer von mehreren Faktoren abhängig. Zudem gibt es manchmal auch einen konkreten Auslöser wie eine dauerhafte Überforderungssituation, der Verlust des Jobs oder ein Trauerfall. Sogar positive Ereignisse wie ein bestandenes Examen, eine Hochzeit oder die Geburt eines Kindes können Auslöser sein.
Es hat den Anschein als wenn es heute mehr Depressionen gibt als früher, unser modernes Leben bietet zu viele, zu hohe Anforderungen von außen, gepaart mit Selbstüberforderung und Grenzüberschreitungen, weil ich mich schwer abgrenzen kann oder nicht klar stelle, wenn mir etwas zu viel wird oder ich schwer Nein sagen kann. Tatsache aber ist, Depressionen werden heute schneller erkannt und lassen sich, in der Regel, gut behandeln.
Eine schwierige Situation ist es auch für Partner, Familie und Freunde wenn man einen nahen Menschen auf einmal so ganz anders erlebt – oft abweisend, sich in ein Schneckenhaus zurückziehend und nicht mehr ansprechbar. Angehörige müssen wissen, dass sie nicht schuld sind und Depressionen auch nicht mit Liebe zu heilen sind. Informieren Sie sich und organisieren Sie professionelle Hilfe dort, wo dem Angehörigen die eigene Kraft zur Selbsthilfe fehlt. (psychiatrie.de/familienselbsthilfe)
Therapien auf einen Blick:
Antidepressiva werden bei mittelschwerer bis schwerer Depression verschrieben. Sie normalisieren den gestörten Botenstoffwechsel bestimmter Neurotransmitter und zielen darauf ab den Botenstoffspiegel Serotonin, Noradrenalin oder Dopamin zu erhöhen. Die Wirkung setzt meist nach ein zwei Wochen ein. Die Akutbehandlung dauert vier bis sechs Monate, die Erhaltungstherapie noch einmal so lange. Nebenwirkungen wie z.B. Übelkeit können auftreten. Antidepressiva machen nicht süchtig. Bei leichten bis mittelschweren Depressionen kann ein Versuch mit pflanzlichen Mitteln ebenfalls eine Möglichkeit sein.
Psychotherapeutische Verfahren :
Die kognitive Verhaltenstherapie wirkt bei Depressionen nachweislich gut. Dabei werden mithilfe des Therapeuten negative Denkmuster und Probleme erkannt und durch positive Alternativen ersetzt.
Die Psychoanalyse geht tiefer in die Seele des Patienten, hier liegt die Konzentration auf der Aufarbeitung vergangener und verdrängter Konflikte und Erlebnisse, durch die intensive Auseinandersetzung mit sich selbst können die Depressionssymptome zeitweise verschlimmert werden.
(MBCT) Mindfulness-Based Cognitive Therapy. Dieser Ansatz kombiniert die kognitive Verhaltenstherapie mit Achtsamkeitselementen, fokussieren auf Resilienzen sowie Anleitung zur Stressreduktion.
Unterstützende Therapien:
Schlafentzug, während der Schlaf sonst als heilsam gilt, kann er Depressionen sogar verschlimmern. Man vermutet, dass das mit gestörten REM-Phasen oder dem im Schlaf verminderten Serotoninproduktion zusammenhängt. Dagegen hilft der Entzug (meist stationär geführt), eine Nacht bleibt man wach und geht schläft erst die nächste Nacht wieder. Die Symptome verschwinden meist vollständig aber nur vorübergehend. Trotzdem ist die Erfahrung, dass die Stimmung sich tatsächlich aufhellen kann, für viele Patienten bahnbrechend und gibt Hoffnung auf Besserung.
Lichttherapie ist für Patienten die im Winter an einer saisonal abhängigen Depression leiden. Bei leichter bis mittelschwerer Ausprägung hilft das helle Kunstlicht (10000 Lux täglich, 30 – 60 Minuten) hier nachweislich.
Bewegung sorgt für ein besseres Wohlbefinden. Zudem werden beim Sport stimmungsaufhellende Endorphine freigesetzt.
Johanniskraut enthält Stoffe, die u.a. auf den Serotonin und Noradrenalinstoffwechsel wirken und ist bei leichten bis mittelschweren Formen eine Alternative zum Antidepressivum. Die Dosis sollte auch hier der Arzt festlegen.
Elektrokonvulsionstherapie ist für schwere Erkrankungen gedacht, bei denen sonst nichts hilft. In kurzer Vollnarkose wird per Elektroimpuls ein epileptischer Anfall ausgelöst, der wie eine Reset-Taste auf das Gehirn wirkt. (3 Wochen mit bis zu 12 Behandlungen)